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Regner-Neuheit zählt zur Familie der “Kleinen Dicken”

Das allseits bekannte LGB-Modell der “Kleinen Dicken”, hier als 995005. In Wahrheit gab es nur die Spremberg-Lok 11 als DR 99 5001.

Wer kennt sie nicht, die „Kleine Dicke“ von LGB? Bürgerlich ist sie auch als „Spremberger Stadtbahnlok“ bekannt, und eine solche präsentiert jetzt der Echtdampflok-Hersteller Regner Dampftechnik als Neuheit 2024. Aber es ist nicht die „Kleine Dicke“ und des ist auch nicht ihre Schwester. Sondern eher eine Cousine. Aber beide stammen aus dem brandenburgischen Spremberg und verbrachten ihren Lebensabend im Harz. Und beide haben trotz ihrer baulichen Kürze ein paar Zeilen der Widmung verdient.

Es geht um Lok 11 und Lok 12. Aber so bezeichnen wir sie mal nicht, denn das könnte Verwirrung auslösen, zumal wir es hier ausschließlich mit B-Kupplern zu tun haben. Loks mit solchen Bezeichnungen gibt es ja auch auf der schwäbischen Härtsfeldbahn, momentan steht Lok 12 im Einsatz. In den Harz kamen einst auch zwei kleine, aber sehr gedrungen wirkende B-Kuppler, nämlich Lok 11 und Lok 12 von der ehemaligen Spremberger Stadtbahn. Als Schwestern wollen wir sie nicht bezeichnen, denn ihre Herkunft ist sehr verschieden, ihre Technik auch. Lok 11 hatte im Jahre 1925 die Berliner Lokomotivfabrik Borsig unter der Fabriknummer 11 870 in Heißdampfausführung gefertigt, und dies sollte auch die einzige Heißdampflok in Spremberg bleiben.

Lok 12 alias Harzer 99 5201, Modell von Klaus Bormann

Lok 12 entstand erst deutlich später, 1938 bei Orenstein&Koppel. Und sie war, ganz aus der Zeit gefallen, im Gegensatz zur Lok 11 noch als Nassdampflok ausgeführt. Äußerlich unterschied sie sich von ihrer Cousine durch ein größeres Führerhaus und kürzere, vorne abgeschrägte seitliche Wasserkästen – das ließ sie noch gedrungener, ja wuchtiger wirken als die „Kleine Dicke“. Was sie einte: Sie waren fürs Rangieren und zur Bedienung nahegelegener Industriegleisanschlüsse geschaffen, daher verdingten sie sich ihren Lebensunterhalt in Spremberg vorwiegend im Rollbockbetrieb. Mit Stilllegung der Stadtbahn verloren sie offiziell zum Jahresende 1956 ihren Job – die Spremberger Kohlebahn, ursprüngliches Revier der 99 5001, machte man schon 1953 dicht.

Es gab von beiden immer nur die Eine
Spremberg-Lok 12 als 99 5201, ein IIm-Modell von Klaus Bormann. Die Bauform des Originals wich von der 995001 ab.

Die Deutsche Reichsbahn nahm sich ihrer an, ließ sie in Görlitz untersuchen und für den Einsatz auf dem Harzer Meterspurnetz ertüchtigen. Jetzt gab es auch neue Namen: Lok 11, die „kleine Dicke“, hieß fortan 99 5001 (in Zweitbesetzung einer bis 1951 eingesetzten Ex-Werklok), und die Nassdampflok 12 hieß nun nicht etwa 99 5002 und schon gar nicht 99 5016, wie eine LGB-Variante der „Kleinen Dicken“ als Beschilderung zeigt, sondern 99 5201. Von der Baureihe 99.500 gab es nämlich nur die eine Kleine, die 99 5001. Und sonst keine. Und gar keine Lok gab es von einer ohnehin nicht existenten Baureihe 99.501. Nur halt in Phantasie und nur in IIm. Für 995201 gab es wegen der erwähnten Abweichungen der Bauart die eigenständige Baureihenbezeichnung 99.520, ebenfalls nur in einfacher Besetzung vorhanden. Und diese Cousine der von LGB bekannten „Kleinen Dicken“ ist in diesem Jahr 2024 die Modellneuheit von Regner. Warum wir das so ausführlich beschreiben: Wir wollen auf den kleinen Unterschied in der Familie aufmerksam machen und warum dies eine willkommene Neuheit ist. Eine 99 5001 als Echtdampflok brachte schon vor über 12 Jahren die Firma Wyko aus Jülich auf den Markt, zu haben als Bausatz oder Fertigmodell.

Echtdampf-Modell der 99 5201, ehemals Lok 12 der Spremberger Stadtbahn, von Regner Dampftechnik

Die jetzt im Umfeld der Spielwarenmesse 2024 angekündigte 995201 von Regner ist ein zwar sehr ähnliches und auch verwandtes Echtdampf-Fahrzeug, aber eben das Modell eines doch abweichenden Vorbilds und somit keine Doppelentwicklung auf dem kleinen Echtdampfmarkt, sondern eine Ergänzung – in mehrfacher Hinsicht. Jetzt gibt es zur Spremberg-Lok 11 auch die Nummer 12. Aber vor allem gibt es für Echtdampfer eine Harzbahnlok mehr. Eine, die allerdings nicht bekannt dafür wurde, dass sie durch die romantische und hügelige Harzlandschaft schnaufte. Wegen der doch sehr begrenzten Vorräte an Betriebsstoffen blieb es überwiegend bei stationären Einsätzen in den Bereichen Nordhausen und Wernigerode. Die dauerten bis 1965 an, dann musste die Maschine ein Möbelwerk beheizen, bevor sie Ende der 1960er Jahre unter den Flammen des Schneidbrenners für immer verschwand. Zu dieser Zeit stellte man dann auch die „Kleine Dicke“ 995001 ab, die 1973 zunächst an eine französische Museumsbahn verkauft wurde, aber dort nie fuhr und heute in privater Hand hinter verschlossenen Toren gehalten werden soll. Jedenfalls sind beide Loks aus unserem Blickfeld verschwunden, jede auf ihre Weise.

Die unbekannte Cousine der Kleinen Dicken

Immerhin hat LGB dafür gesorgt, dass der Begriff Spremberger Stadtbahn unter Gartenbahnern bekannt ist, und die 99 5001 kennt nun wirklich jeder, auch mit anderen Loknummern, die es bei der DR allerdings nicht gab. Aber die vielen Startpackungen mit der Einzelgängerin, auch digital, sollten sich nun mal unterscheiden. Ihr Flair als Einsteiger- und Spielzeugmodell legte die 995001 von LGB nie ab. Dass sie durchaus Potenzial für ein detailliertes Modell hat, bewies Volker Wille mit seiner “Kleinen Dicken”, deren Bau er in der GBP-Ausgabe 5/2008 vorgestellt hatte. Sein aus Metall gefertigtes Kleinod sieht dem Vorbild sehr ähnlich und steckt voller technischer Finessen.

So kennt sie nicht jeder als Modell: Metall-Eigenbau der Kleinen Dicken 99 5001 von Volker Wille, beschrieben in GBP 5/2008
99 5201 als Eigenbaumodell von Klaus Bormann. Das Original weist im Unterschied zur 99 5001 ein größeres Führerhaus auf und leicht angeschrägte Wasserkästen.

Aber wer traute sich schon an die eher unbekannt gebliebene Nassdampf-Cousine 99 5201 heran? Langjährigen Lesern des Gartenbahn Profi müsste auch sie in Erinnerung sein. In der Ausgabe 5/2012 stellten wir unter dem Titel „Luise und ihre Familie“ in einer Artikel-Reihe über Harzbahn-Modelle die besonderen B-Kuppler vor. Es handelte sich um Modellbauten unseres Lesers Klaus Bormann, und ins Rampenlicht traten für unseren damaligen Beitrag die Modelle der Lokomotiven 995201 und ein weiter B-Kuppler aus den Anfängen der NWE, der schon 1949 in den Bestand der Deutschen Reichsbahn übernommen wurde: „Luise“ NWE 3 als 99 5803, die noch einige Jahre von NWE 1 als 99 5804 begleitet wurde. Letztere genoss allerdings gar keinen Schutz als historisches Kulturgut und fiel 1966 dem Schneidbrenner zum Opfer.

NWE-Lok 3 “Luise”, spätere 99 5803 der DR-Harzbahnen

Familienmitglied Luise (99 5803) dagegen hatte schon zu Beginn der 1960er Jahre den Harz verlassen müssen, um auf der sächsischen Schmalspurbahn Reichenbach–Oberheinsdorf auszuhelfen. Doch die Stilllegung dieser Bahn kam schneller als gedacht: Statt Rollbockzuüge zu ziehen, musste die einstige Harzer Aufbauhelferin den Reichenbacher Abbauzug schleppen. Danach setzte man sie noch kurze Zeit auf der Industriebahn Halle Turmstraße ein. 1967 zerfiel aber auch sie im Raw Görlitz in den Flammen des Schneidbrenners. Die Ära der B-Kuppler im Harz, sie endete mit den 1960er Jahren.

Regner-Modell der Ex-Spremberg-Lok Nr. 12
Das neue Regner-Echtdampfmodell der 99 5201.

Für Echtdampfer erhält sie nun einen neuen Impuls, mit Spremberg-Lok 12 als 99 5201 als vorbildgetreuen Nachbau im Maßstab 1:22,5, angeboten als Bausatz und Fertigmodell. Im Bausatz sind bereits alle Teile bearbeitet und lackiert, sie dürfen lediglich durch Passen und Fügen montiert werden. Die Kolbenschieber Zylinder mit Teflonkolben verfügen über eine Entwässerung und einzeln geführten Abdampfleitungen. Die Heusinger-Steuerung mit Kuhnscher Schleife ist vorbildgetreu nachempfunden, beschreibt Regner sein Modell, das 290 Millimeter lang ist und 2,9 Kilogramm wiegt – also 10 Gramm pro Millimeter Loklänge. Zur Ausstattung zählen Heusinger Steuerung mit Kuhnscher Schleife, Zylinderentwässerung über kleine Ventile und einzeln gefederte Lager der Kuppelachsen. Per RC fernsteuerbar sind die Funktionen Umsteuerung, Zylinderentwässerung, Dampfhahn, Pfeife und Bremse. Der Preis bewegt sich auf dem Niveau einer elektrischen Highend-Mallet von LGB, zwei mal zwei Triebwerke. Die 99 5201 hat nur eine Zylindergruppe, bietet aber echtes Dampf-Feeling. Und sollte unter den Harzbahn-Modellen anlässlich der 125-Jahr-Feierlichkeiten nicht vergessen bleiben. Sie gehört doch auch zur Familie, in memoriam. gil

Link: Regner Dampftechnik

Fotos: Regner (3), Volker Wille (1), Redaktion GBP (5)

Buchtipp: Die Baureihe 99. Alle Schmalspur-Lokbaureihen im Überblick auf 272 Seiten. Im Shop des Gartenbahn Profi

Die Archivbeiträge finden Sie als ProfiPlus-Leser in unserem PDF-Archiv unter den Ausgaben 5/2008 und 5/2012. Zur Archivseite