199 301 von EdGB – die große Unbekannte der HSB
Lange ist sie nicht mehr im Harz gefahren, die C-gekuppelte Diesellok 199 301. Während der für eine Serienlieferung nach Indonesien konzipierte, in Deutschland verbliebene Prototyp schon viele Jahre bei den HSB vor sich hindämmert, blühte vor fünf Jahren das von Modellbau Frey geschaffene IIm-Modell in fünf Varianten auf. Diese Fertigung ist inzwischen ausgelaufen. Jetzt nimmt sich der Niederländer Ed de Bruijn dieser fast vergessenen Einzelgängerin an. Die große Unbekannte hat nämlich eine interessante Geschichte zu erzählen.
Selbst intensive Besucher der Harzer Schmalspurbahnen müssen sich schon lange besinnen, wenn sie sich an die Diesellok 199 301 im Betriebseinsatz zurückerinnern wollen. 1993 wurde die einstige Baumusterlokomotive des Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg aus den 1960er Jahren von den HSB übernommen, doch seit 1997 ist sie mangels Bedarf von der Instandsetzung zurückgestellt. Und dämmert in einem Schuppen vor sich hin.
Immerhin hat sich der Modellbahnhersteller Wolfgang Frey vor fünf Jahren getraut, dieses Nischenmodell in seine Kleinserienfertigung aufzunehmen. Der Gartenbahn Profi hatte damals Gelegenheit, das gelungene Modell zur Probe fahren zu können und in der Ausgabe 6/2020 vorzustellen. Damals lag uns die DR-Ausführung um 1988 vor, nach Umbau auf Druckluftbremse. Doch mittlerweile fertigt Wolfgang Frey aus Altersgründen keine Fahrzeug-Fertigmodelle mehr. Ein interessantes Kapitel Harzbahngeschichte liegt seither brach.

Dafür springt jetzt der Niederländer Ed de Bruijn in die Nische und kündigt als nächste Entwicklung eben jene 199 301 an, die auf Modellbahnen mit HSB-Thematik Farbe und Abwechslung bringen kann. Frey brachte die Diesellok immerhin in fünf verschiedenen Ausführungen, denn nach der Vorstellung als Baumusterlok mit der Betriebsnummer V30 001 in den Jahren 1966/67 bis zur Übernahme durch die HSB wurden an der Diesellok immer wieder Veränderungen vorgenommen. Zuletzt nahm man ihr bei den HSB das Sonnenschutzdach ab.
Ein Sonnenschutzdach? Das ungewöhnliche Bauteil, das Jahrzehnte auf dem Führerhausdach der 199 301 platziert war, hängt mit der einzigartigen Geschichte dieser Lok zusammen. Der Einzelgänger auf Meterspur verdankt seine Existenz einer in den 60er Jahren erfolgten Bestellung der Indonesischen Staatsbahn über 20 Kleindieselloks in der Kapspurweite 1067 mm. Eher zufällig die erste vollwertige Diesellok auf dem Netz der Harzquerbahn und Mitte der 60er Jahre Hoffnungsträger für den VEB Lokomotivbau Karl Marx (LKM) in Babelsberg. Man entschloss sich damals, vor der Serienlieferung nach Asien eben diese Versuchslokomotive zu bauen. Sie besaß ein Strömungsgetriebe von Voith und einen 300-PS-Motor von Maybach, denn so wollten die Indonesischen Staatsbahnen ihre Dieselloks haben. Als Teststrecke wurde das Meterspurnetz im Harz ausgewählt. Daher kam die meterspurige Baumusterlok im Januar 1966 als V 30 001 nach Wernigerode und wurde sogar auf der seinerzeit gesperrten Brockenbahn erprobt.
Die erfolgreichen Testfahrten zogen den raschen, bis 1967 abgeschlossenen Bau der Serienloks für Indonesien nach sich, während der Prototyp im Frühjahr 1967 auf der Leipziger Frühjahrsmesse für kurze Zeit im Blickpunkt des Interesses stand. Danach dümpelte die Diesellok zwei Jahre bei LKM vor sich hin, bis die Deutsche Reichsbahn sie 1969 für ihre Harzbahnen erwarb und es bei der Ordnungsnummer V30 001 beließ.

Angenommen wird, dass bei der folgenden Aufarbeitung im Bw Wernigerode Westerntor sowohl ein anderer Motor als auch ein Getriebe aus DDR-Produktion eingebaut wurden. Auch wurden der in Mitteleuropa überflüssige Öl-Wärmetauscher sowie die überzähligen, nach indonesischem Vorbild angebrachten Leuchten entfernt. Was blieb, war das Sonnenschutzdach, fachlich korrekter: Wärmeschutzblech. Es schützte das Führerhausdach vor direkter Sonneneinstrahlung. Ein Luftpolster zwischen Dach und Schutzblech sorgte für Kühlung, die in Indonesien wichtiger war als im Harz. Dennoch behielt die DR-Lok das Wärmeschutzblech.
Mit der Einführung des neuen Nummernschemas 1970 reihte die DR die Einzelgängerin zunächst als 103 901-5 ein – zur BR 103 gehörte auch die regelspurige V 36. Seit 1973 ist die Harzlok unter der Abteilung Schmalspurlok als 199 301-3 geführt. Und so heißt die Abgestellte, die schon gut 18 Jahre nicht mehr fährt, noch heute. Bis in die 1990er Jahre hinein war 199 301 in Nordhausen beheimatet und bespannte Überführungsfahrten mit den Rollbockzügen zur Papierfabrik Ilfeld.

Auf 45-mm-Modellbahnen konnte es für den Dreiachser, der eine zur V36 vergleichbare Achsanordnung mit Blindwelle aufweist, durchaus was zu tun geben. Bei EdGB stellt 199 301 das zweite neue Modell in diesem Jahr dar. Unsere Abbildungen zeigen die CAD-Konstruktion nach Vorlage des heutigen Aussehens bei den HSB, ohne das Wärmeschutzblech. Das C-gekuppelte Modell wird durch einen großen Bühlermotor per Riemenantrieb mobilisiert, mit Sounddecoder ausgestattet und kann optional mit Rauchgenerator und/oder Massoth-Entkuppler geliefert werden. Bis dahin werden aber noch ein paar Wochen vergehen. Über den Fertigungsstand informiert die Internetseite edgb.nl.

